N’Abend allerseits,
die Woche begann legendär mit dem ersten Teil des Interviews mit Béla Réthy und geht so nun auch mit dem zweiten finalen Teil weiter. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen!
Herr Réthy, für Sie persönlich wird die EM in diesem Jahr das erste große Turnier seit langem, das Sie ja wahrscheinlich komplett nur als Zuschauer verfolgen. Haben Sie da schon irgendwelche Pläne? Komplett im Fernsehen oder auch ein paar Spiele im Stadion?
Ich möchte schon fünf-, sechsmal in die Stadien. Klar, am liebsten das Finale und die Deutschland-Spiele. Da ich im Rhein-Main-Gebiet wohne, werde ich bestimmt auch andere Spiele gucken, die in Frankfurt stattfinden.
Und dann gibt’s bestimmt noch den ein oder anderen Job im Umfeld von solchen Spielen, unabhängig von der Fernsehausstrahlung. Die EM ist für mich zeitlich komplett geblockt. Da wird kein Urlaub gemacht, da bin ich dann komplett im Modus drin.
Also möglicherweise auch ein bisschen was rund um die EM. Wie sieht es da allgemein aus? Ein paar Projekte wie die Bundesliga-Doku fürs ZDF oder die Vertonung der WM-Doku zu Katar auf Prime Video haben wir auch schon gesehen. Gibt es schon andere konkrete Projekte oder etwas, das Sie beruflich in der Zukunft noch angreifen wollen?
Nicht konkretes, weil ich da auch keine Verträge mache. Ich mache demnächst mal bei einem anderen Sender ein Coaching für Reporter. Da wurde ich angefragt und es ist auch sehr interessant, mal mit anderen Leuten zu arbeiten und da seine Eindrücke zu hinterlassen. Oder ich mache eine Laudatio für Star-Winzer, also sehr vielfältig. Ich habe ganz viele Anfragen, möchte aber nach 40 Jahren reisen und Beruf auch mal Freiräume haben, einfach mal gar nichts zu machen. Ich bin dann versucht, immer so blockweise etwas zu arbeiten – denn ich bin noch viel zu jung, um gar nichts zu tun. Eigentlich bin ich ja auch nur in Rente gegangen, weil ich in Rente gehen musste wegen meines Geburtsdatums.
Und wenn jetzt nochmal ein Angebot von einem Sender als Live-Kommentator kommen würde?
..würde ich sicherlich ne Nacht drüber schlafen. Aber da erwischen Sie mich jetzt völlig ratlos, ich weiß es nicht. Ich bin am Pik abgestiegen, da von dem Thron. Möglicherweise würde es ein großes Medienecho auslösen, wenn ich wieder was machen würde. Und dann machst du einen Fehler und die Maschine geht doppelt so laut los.
Also ich weiß nicht genau, ob das richtig ist. Überlegen würde ich es mir auf jeden Fall und die Antwort ist offen.
Mit Geld hätte das überhaupt nichts zu tun, sondern mit dem Bauch, der sagt, “ach komm, einmal noch”.
Wenn ich beim ZDF hätte weiterarbeiten können und die Rente nicht zu dem fixen Zeitpunkt gekommen wäre, hätte ich als Kommentator ganz sicher noch die EM jetzt und die WM in den USA, Mexiko und Kanada mitgemacht. Und dann wäre ich immer noch nicht mal 70.
Wenn Sie jetzt mal so zurück”gucken auf Ihre ganze Laufbahn und auf die Spiele, die Sie alle kommentiert haben: Gibt es ein Stadion oder auch einen Kommentatorenplatz, der Sie am meisten begeistert?
Diese großen Tempel wie in Barcelona oder das Bernabeu sind unglaublich eindrucksvoll in der Optik, aber da sitzt man ungefähr mit den Vögeln da oben neben dem Nest. Und auch mit den ganz engen Kabinen dort ist das Arbeiten überhaupt nicht gut. Exzellentes Arbeiten geht in der Allianz Arena in München. Da ist die optimale Entfernung zwischen dem Abstand, den man als Kommentator braucht und in der Nähe zum Platz.
Wir haben bei uns in Deutschland schon sehr schöne Stadien. Also, in Frankfurt, Köln oder München lässt sich schon sehr gut arbeiten.
Ich liebe auch englische Stadien, noch besser schottische. Meine Lieblingsatmosphäre ist bei Celtic.
Haben die Atmosphäre und die Zuschauer in den Stadien aus Ihrer Sicht immer Ihren Kommentar beeinflusst? Gerade im Vergleich zur Corona-Zeit als Sie in leeren Stadien kommentiert haben..
Corona war schwierig. Man hatte das Gefühl, man führt Selbstgespräche. Da haben wir aber auch nach und nach dramaturgische Mittel entwickelt, indem man versucht hat, wahrzunehmen, was auf dem Platz gesprochen wird. Spiele mit Thomas Müller waren dafür optimal. Zum Beispiel im Champions-League-Finale Paris-Bayern in Lissabon konnte man natürlich mit diesem Element spielen. Man muss als Reporter einfach die Gegebenheiten nehmen, wie sie sind. Das ist ja kein Wunschkonzert, sondern unsere Arbeit, an dem Tag eben ein Spiel zu vermitteln – und da muss man dieses Element mit nutzen.
Zuschauer beeinflussen vor allem dann, wenn die Stimmung besonders gut ist. Dann ist auch ein schweigender Kommentator eine Art Dramaturgie, der dadurch dann diese Atmosphäre mitnimmt. Zum richtigen Zeitpunkt, wenn grad nichts Wichtiges zu erzählen ist, diesen Roar der Zuschauer mit reinzunehmen, macht das Ganze runder.
Da unsere Kopfhörer ja sehr dicht und geräuschabsorbierend sind, habe ich immer mein linkes Ohr zur Hälfte frei gemacht, um auf Zuschauerrufe, -gesänge und Emotionen reagieren zu können.
Nun haben ja auch Sie persönlich in all den Jahren durch einige Sätze große Momente erzeugt und begleitet. Ich erinnere beispielsweise an die WM 2018 und den Satz beim entscheidenden Gruppenspiel gegen Südkorea über die Spielweise der deutschen Mannschaft: “Das ist hier alles keine Zeitlupe, das sind reale Bilder!” Ein spontaner Impuls?
Der Ausdruck meiner Enttäuschung und Verärgerung, wie man so auftreten kann in einem entscheidenden Spiel bei der Weltmeisterschaft. Das wirkte sowas von farblos und tempolos. Die Körpersprache war nichts. Es war langsam – deshalb die “Zeitlupe”.
Eine persönliche Empfindung des Reporters, der im Stadion sitzt und das Spiel schaut. Wie bei jeder Kritik ist das ja persönliches Empfinden. Und ich finde, dann ist es unsere Aufgabe, auch so zu formulieren.
Eines war daran aber interessant. In der Kommentatoren-Generation vor mir war der Reporter so bisschen mit Schuld an Niederlagen. Da wurden die gleich zerlegt. In dem Fall 2018 war so eine Häme gegenüber der deutschen Mannschaft da, dass der Reporter eigentlich abgefeiert worden ist. Ich glaube, die BILD schrieb: “Der beste Deutsche war der Kommentator.”
Da gibt es dann allerdings auch andere Seiten, gerade bei Social Media. Es gibt ja auch immer wieder Kolleginnen und Kollegen, die Hasskommentare thematisieren. Wie gehen Sie mit sowas um? Anschauen oder ausblenden?
Muss man ausblenden. Mit einer Kritik kann man ja nur was anfangen, wenn sie etwas Konkretes bemängelt. Also zum Beispiel: “Der hat schlecht kommentiert, weil Punkt A), Punkt B) und Punkt C).” Also irgendeine Begründung, die einem weiterhilft.
Aber reine Pöbelei lass ich nicht an mich heran. Und mit diesem Umfeld hab ich dann sowieso nicht so viel zu tun. Ich gehöre einer Generation an, die ihren Alltag sehr gut bestreiten kann, ohne dauernd rumzuscrollen oder irgendwelche Kommentarchen zu lesen.
Man kriegt das natürlich zwangsläufig mit, und zwar durch schlechte Journalisten, die nicht in der Lage sind, eigene Artikel zu schreiben, sondern sich auf Twitter beziehen und darauf ganze Artikel aufbauen. Dadurch kriegt man das mit.
Unabhängig davon: Wie hat sich Ihre Arbeit im Laufe der Zeit entwickelt?
Der Fußball hat sich im Laufe meiner Berufszeit verändert. Als ich in den 90er-Jahren anfing, live zu kommentieren, war der Fußball viel, viel langsamer. Das heißt, man musste auch anders arbeiten. Man hatte viel mehr Möglichkeiten, Hintergrundgeschichten zu erzählen.
Das ist heute nicht mehr möglich. Guckst du jetzt mal eine halbe Sekunde weg auf deine vorbereiteten Informationen und verpasst dann die entscheidende Szene des Spiels, dann ist was los. Also, das Spiel ist schneller geworden und der Kommentar dadurch natürlich etwas kompakter.
Auch die Vorbereitung ist so, dass man da fast nichts mehr an Geschichten stehen hat. Nur noch Stichworte, die auf Augenhöhe sind – damit man die 10, die man abarbeiten möchte, irgendwann mal unterkriegt.
Man versucht immer wieder, seine Methoden auch zu ändern und dem Fußball anzupassen. Zum Beispiel hatte ich ganz früher so einen Einstieg vorformuliert, die ersten drei, vier Sätze. Das habe ich seit 15 Jahren nicht mehr gemacht, weil du ja auch auf die Bildführung angewiesen bist. Du kannst noch so einen guten Einstieg formulieren – wenn du dann andere Bilder währenddessen bekommst, gibt es diese Schere. Also man muss schon zusehen, dass man seine Inhalte präsent hat, aber dann auf die gezeigten Bilder anpasst.
Mit steigender Routine ändert sich also natürlich auch die Arbeitsweise. Wenn man sicher ist, braucht man auch nichts aufzuschreiben. Wenn man vorsichtig ist, formuliert man etwas, um keine Fehler zu machen.
Jetzt wo wir schon sehr stark im Thema Rückblick sind. Sie haben mal gesagt, “Der liebe Gott hat mir immer ein Verb geschenkt”. Gilt das auch für Adjektive? Finden Sie da spontan drei, mit denen Sie Ihre Karriere beschreiben würden?
Drei Adjektive spontan wie in einer Live-Übertragung? (lacht)
Unerwartet, wegen der fehlenden Muttersprache.
Überragend für mich persönlich.
Und leider unwiederholbar, weil ich schon über 60 bin.
Aber ich vermisse diese Zeit. Wenn irgendwann mal der Hammer fällt und mich jemand fragt, ob sich das alles gelohnt hätte: klares Ja!
Abschließend noch eine Frage, die uns als Kommentatorenblog und sicherlich Ihnen als Profi immer wieder gestellt wird. Und niemand kann das besser beantworten als Sie: Welche Tipps gibt man jungen Leuten mit, die Kommentator oder Reporter werden wollen?
Ein dickes Fell! – Und die Liebe zum Fußball! Du musst Spaß haben, wenn du ins Stadion kommst. Und Lust haben auf diese 90 Minuten. Man kann Fußballfan nicht lernen. Man muss Fußballfan sein. Man muss diese Sportart in Herz und Blut haben, um sie überhaupt transportieren zu können. Und es darf einem nicht als Aufgabe erscheinen, sondern es ist ein wunderbarer Arbeitsplatz. Andere gehen ins Büro, ich gehe ins Stadion. Und darf auch noch meinen Senf dazugeben.
Und ein dritter Rat von einem älteren Herrn: Es schadet auf keinen Fall, ab und zu mal ein Buch zu lesen. Das nützt wirklich, wenn in Drucksituationen der eben angesprochene liebe Gott einem das Verb oder Adjektiv nicht rausdrücken will. Da hat man dann so eine Art präsente Prosa. Und das ist ja noch nicht mal lernen, Literatur macht ja auch Spaß!
Also: Lesen, Spaß am Fußball und aushalten, wenn man auf die Schnauze kriegt.
Mit diesem schönen Schlusssatz bedanken wir uns sehr herzlich für das Gespräch!
Dieses Gespräch führten Jonas Sielaff, Nico Manstein, Tim Peters und Johannes Danzer.
Hier haben wir Teil 1 nochmal zum Nachlesen:
Die Ansetzungen vom 07. Juni 2024 bis 10. Juni 2024:
WM-Qualifikation der Herren (CAF), 3. Spieltag (Sportdigital Fußball)
Freitag, 07. Juni 2024, ab 20.45 Uhr
Elfenbeinküste – Gabun (21.00 Uhr)
Marvin Kirsch
Samstag, 08. Juni 2024, ab 14.45 Uhr
Kamerun – Kap Verde (15.00 Uhr)
Christian Blunck
ab 17.45 Uhr
Gambia – Seychellen (18.00 Uhr)
Ulf Kahmke
Sonntag, 09. Juni 2024, ab 17.45 Uhr
Mauretanien – Senegal (18.00 Uhr)
Jörg Steiger
Montag, 10. Juni 2024, ab 17.45 Uhr
Guinea-Bissau – Ägypten (18.00 Uhr)
Jonathan Dreier
ab 20.45 Uhr
Ghana – Zentralafrikanische Republik (21.00 Uhr)
Marvin Kirsch
Fußball-Länderspiele der Herren, EM-Vorbereitungsspiele (RTL/NITRO./DAZN)
Freitag, 07. Juni 2024, ab 20.15 Uhr (RTL)
Deutschland – Griechenland (20.45 Uhr)
Marco Hagemann, Experte: Steffen Freund
Moderation: Florian König, Experte: Lothar Matthäus, Field-Reporter: Felix Görner und Jonas Gerdes
ab 20.35 Uhr (DAZN)
England – Island (20.45 Uhr)
Chris Putz
Samstag, 08. Juni 2024, ab 17.30 Uhr (NITRO.) bzw. ab 17.50 Uhr (DAZN)
Schweiz – Österreich (18.00 Uhr)
NITRO.: Robby Hunke, Experte: Patrick Helmes
Moderation (NITRO.): Laura Papendick, Field-Reporterin: Jessica Matyschok
DAZN: Christoph Stadtler
ab 21.20 Uhr (DAZN)
Spanien – Nordirland (21.30 Uhr)
Flo Hauser
Sonntag, 09. Juni 2024, ab 20.35 Uhr (DAZN)
Italien – Bosnien-Herzegowina (20.45 Uhr)
Carsten Fuß
ab 21.05 Uhr (DAZN)
Frankreich – Kanada (21.15 Uhr)
Stefan Galler
Montag, 10. Juni 2024, ab 20.35 Uhr (DAZN)
Niederlande – Island (20.45 Uhr)
Matthias Naebers
Polen – Türkei (20.45 Uhr)
Uwe Morawe
Das Wochenende über finden die letzten Vorbereitungsspiele für die Europameisterschaft statt. RTL und NITRO. sind mit jeweils einer Partie dabei, DAZN zeigt auch einige mit deutschem Kommentar.
Am Montag meldet sich dann Jonas nochmal mit einem großen Überblick zu den EM-Teams der übertragenden Sender.
Ich habe jetzt doch mal eine Frage zum Interview:
Ihr hattet nach den Großen Momenten seiner Kommentatorenlaufbahn gefragt, glaubt Ihr, dass Ihm auch noch das 7:1 von Deutschland gegen Brasilien im Kopf hängengeblieben ist?
Jo, er sagt ja auch in Teil 1 was dazu
Wie wird Die Übertragung Der Euro auf den Nachrichtensendern wie MDR Aktuell aussehen?
Ich denke mal, dass bei den deutschen Spielen auch die Vollreportagen zu hören sein werden. Bei allen anderen nur Einblendungen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt in der K.-o.-Phase wird es wohl auch bei Spielen ohne deutscher Beteiligung Vollreportagen geben.
Meinst Du also nicht, dass noch andere Spiele in Der Gruppenphase außerhalb von WDR Event und Sportschau live in voller Länge übertragen werden?
Relives bei DAZN
GER-UKR: Chris Putz
GER-GRE: Nico Seepe
Nach der EHF European League und der EHF Champions League der Frauen steht an diesem Wochenende auch das Final Four der EHF Champions League der Männer in Köln unter Beteiligung des SC Magdeburg und des THW Kiel an.
Die DAZN-Übertragung ist wie in den letzten Wochen auch im Free-TV bei DF1 zu sehen. Uwe Semrau und Michael Born kommentieren, als Co-Kommentatoren fungieren Jogi und Anna Bitter, Moderator ist Jens Westen.
Für Dyn kommentieren Karsten Petrzika und Schmiso, Experten sind Andy Schmid und Stefan Kretzschmar, Anett Sattler moderiert und Hannah Nitsche sowie Lea Rostek führen die Interviews.
ARD Hörfunk
Länderspiel Herren
GER-GRE
Vollreportage: Holger Dahl & Michael Augustin
UKW: Martina Knief
UKW bei Deutschland – Griechenland war Martina Knief. Weißt du wer UKW vs Ukraine war?
Danke. Ne, sorry, ich hatte leider nicht reingehört. Dachte eigentlich auch Knief, weil eine Zusammenfassung von ihr auf BR24 lief, es kann aber auch jemand anderes gewesen sein.